Wohnprojektleben in Zeiten pandemischer Unruhen

Corona trifft Hausprojekte auf eine besondere Art. Nach einem Jahr blicken wir zurück.

Wo vorher viel Gemeinschaft ist, entsteht plötzlich Abstand und die Aufgabe, Coronaregeln auf das enge Zusammenleben von 20 und mehr Menschen zu transponieren.

Im März der ersten Welle machten wir schnell dicht, alle acht Kitakinder blieben wochenlang zuhause. Alle Arbeit die am Schreibtisch ging, ging jetzt am Schreibtisch im WG Zimmer oder im gemeinsamen Arbeitszimmer. Für manche brach 100% Einkommen weg, weil Rikscha fahren in Berlin erstmal abgesagt war, manche mussten weiter „draußen“ arbeiten, weil soziale Arbeit, Tiermedizin und Geburtshilfe halt nicht zuhause gehen.

Aber anders als im Herbst trafen wir für uns die Regel: da draußen ist Corona, hier drinnen sind wir. Und angesichts niedriger Zahlen außerhalb NRWs hatten wir viel Zeit gemeinsam. Alle Kinder wurden zusammen in der Hauskita bekümmert, es enstanden über den Sommer regelmäßige Treffen zum Tangotanzen, für Tai-Chi, eine Gruppe zum gemeinsamen Kleider stopfen, ein Spanischstammtisch und ein Chor.

Mit der heranrollenden Welle in der Fläche im Herbst konnten wir das nicht mehr vertreten. Seit einem halben Jahr sind wir auf die WGs zurückgeworfen, Kontakte zu anderen Projektbewohner*innen sind selten, hauptsächlich draußen und werden ins Kontakttagebuch eingetragen. Einige kurze Wochen waren Kinder noch in Kitas, aber seit November sind einige, seit Januar alle wieder zuhause – diesmal nur mit den Kindern aus ihrem Haus, um die Gruppen klein zu halten.

Und was sich jetzt schnell erzählt ist das Ergebnis von vielen Plenumsdiskussionen. Nur zögerlich wechselten wir im Herbst 2020 auf Zoomplena, seitdem sitzen jede Woche 15 Menschen in ihren WGs, zwanzig Meter Luftlinie voneinander entfernt und haben manchmal ihr Mikro nicht enstummt oder sind eingefroren. Der Absturz vom Gefühl der Gemeinschaft und der Erfahrung, Corona gemeinsam zu durchstehen auf vereinzelte, protokollierte Kontakte zu anderen WGs hat viele von uns sehr traurig gemacht. Bei Gruppentreffen am Lagerfeuer mit Abstand und Supervision haben wir es aber immer wieder geschafft, Sicherheit, Infektionsschutz und Verständnis füreinander gleichermaßen zu schaffen. Und auch in dieser Krise tragen wir uns gegenseitig solidarisch. Mieten – ohnehin schon nach Bieter*innenverfahren festgelegt – haben wir zu Anfang der Pandemie angepasst um Mitbewohner*innen mit Einkommenseinbußen nicht allein zu lassen. Weiterhin wird jeden Tag für alle gekocht und wer Homeoffice mit Kindern zwischen 3 und 6 machen muss, wird den Wert unserer gemeinsamen Kinderbetreuung schnell erkennen.

Der beginnende Sommer lässt uns jetzt unser grandioses Grundstück langsam wieder auskosten. Auch wenn die meisten von uns die Friedrich Rumpf Straße kaum einmal verlassen, haben wir so Luft, Weite und mal wieder einen gemeinsamen Kaffee in der Sonne. Dieses Privileg, Platz haben, den Kopf mal auszulüften, mal raus kommen, können wir gerade gar nicht hoch genug schätzen.

Und bei allem Stress durch unsichere Jobsituation, Kinder im Homeoffice, Besuche in anderen WGs nur mit FFP2-Maske hat uns dieses Jahr Pandemie gelehrt: fast nirgendwo könnte es uns wohl besser gehen als in unserem Hausprojekt. Unsere Gemeinschaft hat ihre Resilienz gezeigt, auch unter widrigen Bedingungen ist es besser, zusammen statt allein zu sein.

Und: wir hatten einige Einschläge in der Nähe, Familienmitgleider, Bekannte, Kolleg*innen und Freund*innen hatten Corona. Aber unsere Häuser bleiben weiterhin eine #zerocovid Zone.

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